Metabolisches Syndrom – frühzeitig erkennen und behandeln
Nephrologin, Nephrologicum Lausitz
In Deutschland sind rund 30 % der Erwachsenen vom metabolischen Syndrom betroffen – viele wissen allerdings nichts davon. Denn der Begriff ist wenig bekannt, auch wenn die dahinterstehenden Risikofaktoren sehr häufig sind. Das metabolische Syndrom beschreibt das gleichzeitige Auftreten mehrerer Risikofaktoren, vor allem Bluthochdruck, erhöhte Blutzuckerwerte und bauchbetontes Übergewicht. Welche Folgen das haben kann und woran Sie ein metabolisches Syndrom erkennen, erfahren Sie hier.
Was ist das metabolische Syndrom?
Von einem metabolischen Syndrom sprechen Mediziner:innen, wenn mehrere bestimmte Risikofaktoren gleichzeitig auftreten, die zusammen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes deutlich erhöhen. Das Syndrom ist keine eigenständige Erkrankung, sondern eine Kombination von Stoffwechselstörungen, die sich gegenseitig verstärken können.
International – etwa nach den Kriterien der American Heart Association (AHA) und der International Diabetes Federation (IDF) – gilt ein metabolisches Syndrom als diagnostiziert, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorliegen:
- Bauchbetontes Übergewicht (abdominelle Adipositas): Taillenumfang über 94 cm bei Männern bzw. über 80 cm bei Frauen
- Erhöhte Triglyzeridwerte: ≥ 150 mg/dl
- Niedriges HDL-Cholesterin: < 40 mg/dl bei Männern bzw. < 50 mg/dl bei Frauen
- Bluthochdruck: ≥ 130/85 mmHg oder bereits antihypertensive Therapie
- Erhöhter Nüchternblutzucker: ≥ 100 mg/dl oder bereits diagnostizierter Diabetes mellitus Typ 2
Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) orientieren sich an diesen internationalen Richtlinien. Häufig wird jedoch vereinfachend von diesen vier Kernmerkmalen gesprochen:
- Bauchbetontes Übergewicht (viszerales Fett)
- Erhöhte Blutfettwerte (Triglyzeride ↑, HDL ↓)
- Bluthochdruck
- Gestörter Zuckerstoffwechsel (z. B. Insulinresistenz)
Mindestens drei dieser vier Merkmale müssen erfüllt sein, um die Diagnose zu stellen.
Was sind Ursachen und Risikofaktoren für das metabolische Syndrom?
Das metabolische Syndrom entsteht in erster Linie durch ungesunde Lebensgewohnheiten, die sowohl die Ernährung als auch Bewegung betreffen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Unausgewogene Ernährung: Kalorienüberschuss, zu fett- und cholesterinreiche Nahrung, zu hoher Salzkonsum
- Übergewicht bzw. Adipositas (BMI > 25)
- Rauchen
- Alkoholkonsum
- Chronischer Stress
- Schlafmangel
- Bestimmte Medikamente wie Betablocker, Diuretika zur Entwässerung und Antidepressiva oder Hormone
Menschen mit starkem Übergewicht haben ein besonders hohes Risiko, ein metabolisches Syndrom zu entwickeln. Der Grund: Häufig treten gleichzeitig auch erhöhte Blutfettwerte wie Cholesterin sowie ein erhöhter Blutzuckerspiegel auf. Dennoch ist Übergewicht nicht der einzige Risikofaktor für die Entstehung des metabolischen Syndroms. Auch bei verhältnismäßig schlanker Statur kann das Risiko erhöht sein – insbesondere, wenn sich überschüssiges Fett im Bauchraum ansammelt. Mediziner:innen sprechen in diesem Zusammenhang von einer Adipositas bei Normalgewicht.
Veranschaulichen lässt sich dieser Zusammenhang durch die Unterscheidung zwischen Apfel- und Birnentyp: Beim Apfeltyp sammelt sich das Fett bevorzugt am Bauch, beim Birnentyp eher an Hüfte, Gesäß und Oberschenkeln. Der Apfeltyp ist gesundheitlich bedenklicher, weil sich hier häufig sogenanntes viszerales Fett bildet.
Viszerales Fett lagert sich im Bauchraum rund um die inneren Organe ab. Es gilt als besonders stoffwechselaktiv und gesundheitsschädlich, da es entzündungsfördernde Botenstoffe freisetzt. Diese fördern chronische Entzündungen im Körper und beeinträchtigen zugleich die Wirkung von Insulin, was zu dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten und einem gesteigerten Risiko für Typ-2-Diabetes führen kann.
Was sind Symptome des metabolischen Syndroms?
Das metabolische Syndrom löst selbst keine spürbaren Beschwerden aus. Besonders tückisch ist, dass auch die verschiedenen Kernmerkmale wie Bluthochdruck und erhöhte Blutzuckerwerte nicht unbedingt Symptome mit sich bringen. Erst mit den Jahren können für die Stoffwechselstörungen typische Beschwerden auftreten. Dazu zählen folgende:
Bauchbetontes Übergewicht ist äußerlich erkennbar und kann mit einem Völlegefühl, eingeschränkter Beweglichkeit oder Rückenschmerzen einhergehen.
Bluthochdruck äußert sich mitunter durch:
- morgendliche Kopfschmerzen
- Schwindel oder Ohrensausen
- Schlafstörungen und Müdigkeit
- Kurzatmigkeit bei Belastung
Erhöhte Blutfettwerte zeigen meist keine Symptome.
Ein gestörter Zuckerstoffwechsel (z. B. bei Prädiabetes) kann sich bemerkbar machen durch:
- vermehrten Durst
- häufigen Harndrang
- Müdigkeit
- Konzentrationsprobleme
Diagnose des metabolischen Syndroms
Die Diagnose des metabolischen Syndroms erfolgt auf Grundlage mehrerer Untersuchungen. Da es sich um eine Kombination verschiedener Risikofaktoren handelt, beurteilt der Arzt. bzw. die Ärztin nicht nur einen einzelnen Wert, sondern das Zusammenspiel mehrerer Parameter.
Typischerweise gehören dazu:
- Messung von Taillenumfang, Blutdruck und Körpergewicht
- Bestimmung der Blutfettwerte (insbesondere HDL-Cholesterin und Triglyzeride)
- Ermittlung des Nüchternblutzuckers oder ein Nachweis einer bestehenden Diabeteserkrankung
Folgen des metabolischen Syndroms
Das metabolische Syndrom wird auch das „tödliche Quartett” bezeichnet, was die Schwere der möglichen Folgeerkrankungen verdeutlicht.
Langfristig erhöhter Blutdruck und Störungen des Fettstoffwechsels können zu Arteriosklerose führen. Dabei setzen sich Fette, Blutzellen und andere Bestandteile an den Wänden der Blutgefäße (Arterien) ab. Diese Ablagerungen können die Gefäße verengen oder sogar verschließen. Bei einem Verschluss im Bereich des Herzens oder Gehirns kann es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen.
Nicht selten entwickelt sich auch eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD). Dabei lagert sich Fett in der Leber ein. Eine unbehandelte Fettleber kann sich über Jahre hinweg zu einer Leberentzündung oder sogar Leberfibrose weiterentwickeln.
Bluthochdruck und die Mangelversorgung bei Gefäßablagerungen belasten außerdem den Herzmuskel, was zu einer chronischen Herzschwäche (Herzinsuffizienz) führen kann. Zudem belastet Bluthochdruck weitere Organe: Unbehandelt erhöht er das Risiko für chronische Nierenerkrankungen und Augenerkrankungen.
Hinzu kommt, dass das metabolische Syndrom und der damit einhergehende gestörte Zuckerstoffwechsel das Risiko für Diabetes Typ 2 deutlich steigern. Zusätzlich sind bei vielen Betroffenen die Harnsäurewerte erhöht,
Die Vielzahl möglicher Folgeerkrankungen zeigt, wie stark das metabolische Syndrom das Herz-Kreislauf-System und andere Organe belastet. Das macht eine gezielte Behandlung der Risikofaktoren besonders wichtig.
Behandlung des metabolischen Syndroms
Beim metabolischen Syndrom gibt es keine Standardtherapie, da es sich um ein komplexes Zusammenspiel handelt. Je nach Person können die einzelnen Krankheitsmerkmale unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Der Arzt bzw. die Ärztin entscheidet nach den Untersuchungen, welche Behandlungsform die wirkungsvollste ist, um das Risiko für Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall zu senken.
Zwei Maßnahmen stehen jedoch für alle Betroffenen im Mittelpunkt: eine Ernährungsumstellung und mehr körperliche Aktivität. Ziel ist es, das Gewicht und vor allem das Bauchfett zu reduzieren. Doch nicht nur das Übergewicht wird dadurch positiv beeinflusst: Auch erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und ein gestörter Zuckerstoffwechsel können sich durch einen gesünderen Lebensstil deutlich verbessern. Ergänzend empfehlen Ärzt:innen, auf Nikotin und Alkohol zu verzichten. Damit wird das Risiko für Folgeerkrankungen nachhaltig gesenkt. Außerdem ist es sinnvoll, aktiv etwas gegen chronischen Stress zu unternehmen.
Zusätzlich kann eine medikamentöse Therapie notwendig sein – etwa zur Senkung des Blutdrucks oder zur zur Behandlung erhöhter Cholesterinwerte.
Mit gesundem Lebensstil gegen das metabolische Syndrom
Eine ausgewogene Ernährung und ein aktiver Lebensstil sind nicht nur wichtige Maßnahmen für die Behandlung des metabolischen Syndroms, sondern auch für die Vorbeugung. Prävention spielt dabei nicht nur für gesunde Menschen eine wichtige Rolle. Auch wer bereits erste Warnzeichen hat, kann mit gezielten Veränderungen viel bewirken. Ein gesunder Lebensstil hilft in jedem Fall, Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte oder einen gestörten Zuckerstoffwechsel positiv zu beeinflussen.
Kleine Maßnahmen für einen gesunden Alltag:
- weniger rotes Fleisch und Wurst (lieber mageres Geflügel und Hülsenfrüchte)
- pflanzliche Fette bevorzugen (Olivenöl, Avocado, Nüsse statt Butter und Schmalz)
- ausreichend Ballaststoffe aufnehmen (unverarbeitetes Gemüse und Obst, Saaten, Vollkornprodukte)
- salzarme Ernährung (max. 2 g Kochsalz pro Tag)
- Zucker und stark verarbeitete Lebensmittel reduzieren
- ausreichend trinken (1,5 Liter Wasser oder ungesüßten Tee pro Tag)
- regelmäßig bewegen (z.B. täglich 30 Minuten Spazierengehen)
- regelmäßige Auszeiten und Entspannungsübungen (z.B. Atemübungen und Meditationen)
Quellen
Herold, G. (Hrsg.). Innere Medizin 2025. 1. Auflage, Herold Verlag, Köln, 2025.
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Das Metabolische Syndrom.
Abgerufen am 19.05.2025, https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/begleiterkrankungen_bei_diabetes/metabolisches_syndrom
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Bluthochdruck und Diabetes.
Abgerufen am 19.05.2025, https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/begleiterkrankungen_bei_diabetes/bluthochdruck
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Check-up 35 Untersuchung – eine Diskussion.
Abgerufen am 19.05.2025, https://www.dgim.de/fileadmin/user_upload/PDF/Publikationen/DGIM_check_2018.pdf
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Pressemappe DGIM 2022.
Abgerufen am 19.05.2025, https://www.dgim.de/fileadmin/user_upload/PDF/Pressekonferenzen/20220503_Pressemappe_Dienstags-PK_DGIM_2022.pdf
Nephrologin, Nephrologicum Lausitz
Dr. Anh-Thu Hentschel ist Fachärztin im Nephrologicum Lausitz, zuvor war sie im Carl-Thiem-Klinikum Cottbus tätig. Ihre Schwerpunkte sind Peritonealdialyse und Ernährung in der ambulanten Versorgung. Als medizinische Beraterin unterstützt sie Oska dabei, Menschen mit chronischen Erkrankungen individuell zu begleiten.